Psychosoziale Entwicklung nach Erik H. Erikson
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Klausurtechnik
Unserer Gesellschaft gerecht werdend muss Pädagogik
> die Bedingungen der Möglichkeit von Mündigkeit und Demokratie ergründen und erkunden, sie überzeugend inszenieren und gelingend erlebbar machen.
Wenn es also - anders ausgedrückt - Aufgabe der Pädagogik ist,
> all die Zusammenhänge zu erforschen, die den Weg hilfreich begleiten können, wie aus noch kleinen unmündigen Menschen mündige Erwachsene werden, die unser demokratisches Gemeinwesen aktiv unterstützen und fortentwickeln,
dann stellt sich im Blick auf das Thema "psychosoziale Grundlegung von Identität" die Frage, was Erikson hierzu Zielführendes beitragen kann.


Pädagog*innen und  Eltern benötigen, um Säuglingen und Kleinkindern gerecht werden zu können, Informationen darüber, wann und wie die Persönlichkeitsentwicklung startet. Sie müssen um die Stunde Null der Persönlichkeitsentwicklung wissen, damit von Anfang an nichts falsch gemacht wird. Denn viele Erziehungsdramen entstehen daraus, dass aus großer Liebe zum eigenen Kind, dann aber aus pädagogischer Unkenntnis fatale Fehler gemacht werden.

Wie die Persönlichkeitsentwicklung startet, wird im Pädagogikunterricht im Kern an Freud, Erikson und Piaget thematisiert. Erikson nimmt die psychosoziale Entwicklung des Menschen auf psychoanalytischer Basis in den Blick. Seine Phasenmodell umfasst das gesamte Leben des Menschen von der Geburt bis zur letzten Phase vor dem Tod. Erikson sieht so die Identitätsentwicklung als eine lebenslange Aufgabe. Phasentypisch, aber strukturgleich geht es immer um das Ausbalancieren der Identität zwischen zwei Polen.

Bildlich könnte man davon sprechen, dass Identitätsentwicklung bei Erikson als eine Gradwanderung beschrieben wird. Wesen einer Gradwanderung ist es, dass die Gefahr besteht, dass man auf zwei Seiten abstürzen kann. Die Absturzgefahr auf der einen Seite ist die Maladaption oder Fehlanpassung. Dabei geht es um zu viel Identitätsunterstützung durch die Bezugspersonen, die so eher das Egozentrische fördern. Die Absturzgefahr auf der anderen Seite ist die Malignität. Bei ihr geht es um zu geringe Identitätsunterstützung durch die Bezugspersonen, die so eher eine zu schwache, diffuse und von Selbstwertzweifeln geprägte Identität fördern. Höhepunkt der Identitätsentwicklung ist bei Erikson die 5. Phase, in der erste Erwachsenenidentität ausgebildet wird, also die Phase, in der Abiturient*innen stecken. Manche Kritiker behaupten, diese hervorgehobene Rolle der fünften Phase widerspreche der These von der lebenslangen Identitätsentwicklung. Für das o.g. Erkenntnisinteresse von Pädagog*innen schmälert das in keiner Weise den Ertrag, den sie aus Erikson ziehen wollen.

Phasenmodell

Eriksons Phasenmodell hat die folgenden Spaltenüberschriften:
Nr. Phase Umkreis der Beziehungspersonen Elemente der Sozialordnung Psychsoziale Modalitäten Fehlanpassung Maladaption Balance: Ausgewogenes Verhältnis Malignität

Entlang dieser Spaltenüberschriften muss zu jeder Phase immer gleichstrukturiert argumentiert werden. Nr. und Phase sind einleitende Orientierungspunkte. Der Punkt Umkreis der Beziehungspersonen ist bei Erikson der Ausgangspunkt der psychosozialen Argumentation, so wie bei bei Freud die Spalte "Erogene Zone" der Ausgangspunkt der psychosexuelle Argumentation ist. Auf die in dieser Spalte genannten Beziehungspersonen geht dann die Spalte Elemente der Sozialordnung ein. In ihr geht es darum, wie sich dem Entwickelnden die Sozialordnung darstellt. Hier gibt es interessante Beziehungen zu Kohlbergs Moralentwicklung. Vergleichbar zu den "Grundmodalitäten" aus der Freud-Tabelle stellt die Spalte Psychosoziale Modalitäten passend zu den zwei vorherigen dar, was in der jeweiligen Phase immer wieder das ist, um was diese Phase grundlegend prägt. Dann folgen auf diesem Hintergrund drei Spalten, die darstellen, was in der Phase von bestimmender Bedeutung ist. In der Mitte, also oben auf dem Grad, Balance: Ausgewogenes Verhältnis. Hier wird der gelingende Weg der Identitätentwicklung skizziert. Rechts und links davon die "Abgründe" der Identitätsentwicklung: Fehlanpassung/Maladaption und Maliginität.

Immer geht es um zu viel oder zu wenig Identitätsstützung und die daraus resultierende typische Folgen, so wie sie im Fallbeispiel rechts analysierbar sind.
Fallbeispiel



Phasenübersicht




Phasentabelle





Grundlagentext

Wesentliche Vernetzungen mit anderen Themen:

Erikson:
Von Freud her gedacht werden bei Erikson seine psychoanalytischen Wurzeln sichtbar. Erikson machte seine psychoanalytische Lehranalyse bei Anna Freud.

Sein Phasenmodell argumentiert nicht aus psychosexueller, sondern aus psychosozialer Perspektive. In der oralen Phase geht es ihm um Vertrauen gegen Misstrauen, in der analen Phase um Autonomie gegen Scham & Zweifel und der phallischen Phase um Intiative gegen Schuldgefühle. Man sieht bei Vertrauen gegen Misstrauen geht um das ES in seiner Säuglingsabhängigkeit von den Bezugspersonen, bei Autonomie gegen Scham & Zweifel geht es um das ICH, das unter den Anderen um seine Autonomie ringt und bangt, aber im misslingenden Fall noch keine Schuld, sondern nur Scham und Zweifel empfindet, während es bei Intiative gegen Schuldgefühle dann um Schuldempfinden geht, das nur im Zusammenhang mit einem ÜBER-ICH denkbar ist. So beginnt bei Erikson ganz früh die Geschichte der ICH-Stärke oder -Schwäche.

Piaget: Von Piaget her nach Freud/Erikson gedacht interessiert dort auch die früheste Entwicklung von Ich und Ich-Stärke. Piaget hat dabei aber die kognitive Entwicklung des Menschen im Visier und beschreibt detailliert, wie rasch aus instinktivem, rein reflexbedingtem Verhalten zweckorientiertes Verhalten eines Ich wird, das aus seinem Empfinden heraus das bewusst wiederholend tut, was ihm problemlösend und somit befriedigend erscheint. Piaget spricht zwar nicht direkt von lustbefriedigend, sieht aber hier die Lernantriebe begründet.

Schäfer:
Von Schäfer her gedacht interessiert, mit Blick auf Erikson auch Ich-Stärke im (psycho-)sozialen Bezug. Denn Schäfer beschreibt detailliert, wie sich Sprache im sozialen Kontext erstentwickelt. Bei ihm erhalten nicht wie Piaget die einzelnen Dinge nach und nach ihre zugehörigen Begriffe, sondern in gemeinsamen Mutter-Kind-Situationen und -Erlebnissen erhalten Dinge, die in dieser Kommunikation in den gemeinsamen Blick rücken, ihre gemeinsame Bedeutung, die dann mit der Lautfolge der Mutter verbunden werden.

Hier leuchtet der zentrale Satz Meads durch, dass Bedeutungen in sozialer Interaktion entstehen. So kann bei Mead das gleiche Ding oder Wesen, z.B. Kuh, bei uns Schlachtvieh sein, während es in Indien als heilig gilt. Nicht die Dinge bestimmen ihre Bedeutung, sondern ihre Bedeutungen entspringen der sozialen Interaktion.

Mead: Von Mead her gedacht interessiert bei Freud die Aufgabe des ICH zwischen ES und ÜBER-ICH. Denn aus kommunikations- und rollentheoretischer Perspektive ist die Position des SELF zwischen I und ME vergleichbar gelagert. Mit genau dieser Argumentation können auch die folgenden Zeilen in Verbindung gebracht werden, die von der Hurrelmanseite stammen:

Hurrelmann Prod. Realitätsverarbeiter Individuation Integration Ich-Identität
Freud Triebwesen ES ÜBER-ICH Ich
Erikson Psychosoziales Wesen Maladaption/Fehlentwicklung Malignität Ausbalancierte Ich-Identität
Mead Kommunikationswesen I ME SELF
Piaget Lernwesen Assimilation Akkomodation Adaptation

Vorschulchancen: Vom Thema "Chancen und Grenzen pädagogischer Einwirkung in Vorschuleinrichtungen" aus dem Inhaltsfeld "Pädagogische Professionalisierung" wird im Blick auf Freud und die anderen hier genannten Vernetzungen sehr deutlich, wie hoch einerseits die Bedeutung der Vorschuleinrichtungen ist, da in der frühen Kindheit enorm viel grundgelegt oder "grundvermasselt" werden kann. Deswegen ist hohe Professionalität notwendig.

Schüler*innen, die in Erzieherberufe gegangen sind, bestätigen immer wieder, wie sehr ihnen der Pädagogikunterricht geholfen hat, in der Erzieherausbildung druchzustarten. Andererseits stehen auch die Pädagog*innen in den Vorschuleinrichtungen immer wieder in Kontakt zu Eltern, die vieles ggfs. aus Liebe gepaart mit Unkenntnis falsch gemacht haben. Der Verband der Padogogiklehrer*innen kämpft deshalb um die Einführung des Faches Padagogik in der Sekundarstufe I. Denn genauso, wie alle Grundkenntnisse im Rechnen benötigen, benötigen wir alle auch Kenntnisse dazu, wie wir unsere Liebe in die Kleinen richtig und zielgerichtet investieren sollten.
Freud







Piaget







Schäfer





Mead






Produktive
Realitätsverarbeitung











Chancen und Grenzen
pädagogischer Einwirkungen
in Vorschuleinrichtungen